Das Internet macht es den Unternehmen vor: Informationen werden effektiv und effizient mittels Social-Software ausgetauscht. Die Hürde zur Kommunikation liegt tief, es bilden sich selbstständig Gruppen um Projekte, Personen und Themen. Antworten auf Fragen zu zukünftige Strategien und Innovationen werden in der Masse häufig besser beantwortet bzw. eingeschätzt als von einzelnen Experten. Dieser Trend hält inzwischen in immer mehr Enterprise-Produkte (nicht zuletzt auch in Microsoft SharePoint 2013) und somit in immer mehr Unternehmen Einzug und er hat auch einen Namen: Enterprise 2.0
Knowledge worker
„The most important, and indeed the truly unique, contribution of management in the 20th Century was the fifty-fold increase in the productivity of the MANUAL WORKER in manufacturing. The most important contribution management needs to make in the 21st Century is similarly to increase the productivity of KNOWLEDGE WORK and the KNOWLEDGE WORKER.“
Butterworth-Heinemann, Oxford, Seite 135
Die Idee eines Knowledge Workers wurde von Peter Drucker erstmals in seinem Buch “The Landmarks of Tomorrow” aus dem Jahr 1959 beschrieben. Im Laufe der Jahre hat sich der Begriff „Knowledge Worker Productivity“ herausgebildet. Drucker prognostizierte damals schon, dass der Erfolg der Wirtschaft nicht mehr nur an der Möglichkeit gemessen wird, Produkte herzustellen, sondern auch an der Fähigkeit Wissen zu generieren und effektiv zu nutzen. So wurde die Steuerung und Verbesserung der Produktivität durch Einsatz von Wissen und Informationen eine der wichtigsten Management-Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Knowledge Worker müssen selber volle Verantwortung für ihre Produktivität übernehmen, selbstständig durch innovative Ansätze eine Verbesserung ihrer Arbeit vorantreiben, sich weiterbilden, aber auch ihr Wissen aktiv verteilen, um so die Qualität ihrer Ergebnisse kontinuierlich zu verbessern. Ein moderner Knowledge Worker wird innerhalb eines Unternehmens nicht mehr als Kostenfaktor, sondern mit seinem Wissen als Vermögenswert angesehen, welcher aktiv in die Unternehmensstrategie eingeplant wird. Das Wissen in den Köpfen der Knowledge Worker überdauert in der Regel die Unternehmenszugehörigkeit der Mitarbeiter. Deswegen ist es wichtig, dieses wertvolle Gut aktiv im Unternehmen zu managen und zu verteilen.
Enterprise 2.0
„Enterprise 2.0 is the use of emergent social software platforms within companies, or between companies and their partners or customers.“
Social-Software ermöglicht es dem modernen Knowledge Worker im Unternehmen effizient Informationen in die Breite zu kommunizieren und gezielte Informationen aus dem Untenehmen zu erlangen. Vorraussetzung dafür ist die Unterstützung einer offenen Kommunikation und Interaktion auf technischer, wie auch auf unternehmenskultureller Ebene, um so die Emergenz und Serendipity zu fördern. Offene Plattformen bieten eine digitale Umgebung, auf der Beiträge und Interaktionen der Teilnehmer global sichtbar sind und über die Zeit persistiert werden, eine Plattform auf welche Mitarbeiter und Inhalte kollaborieren.
Social-Software
Wie Dr. Sebastian Schäfer in seinem Blog schön beschreibt, gibt es beim Einsatz von Social-Software die drei Begrifflichkeiten Offene Kommunikation, Emergenz und Serendipity, welche den Charakter dieser Software gut wiedergeben. Der Einsatz von Social-Software im Unternehmen verwandelt das Intranet von einem Informations-Repository hin zu einer Plattform der Kommunikation und Kollaboration, in welcher der Menschen in den Mittelpunkt rückt.
Offene Kommunikation
Die offene Kommunikation beschreibt ein grundlegend anderes Kommunikationsver-halten gegenüber der traditionellen Kommunikation über geschlossene Kanäle, wie beispielsweise E‑Mail oder Telefon. Bei einer E‑Mail muss der Absender entscheiden, an wen die Informationen gehen. Unter Umständen kann es vorkommen, dass hierfür zu viele Empfänger ausgewählt werden, die sich dann belästigt fühlen. Handelt es sich um Themen, die nur für eine kleine Gruppe relevant sind, überlegen sich die Absender zweimal, ob solche „Kleinigkeiten“ an Informationen wirklich über einen Verteiler kommuniziert werden können, veröffentlichen diese ggf. nicht und verpassen somit die Gelegenheit, die 1% der Mitarbeiter zu unterstützen, denen diese Informationen geholfen hätten. Auf einer offenen Kommunikationsplattform wird der Spieß umgedreht: die Empfänger entscheiden, was sie aufnehmen (“filter on the way out, not in”). Sie haben als moderne Knowledge Worker ja die Pflicht, sich selbst zu informieren. Der Sender kommuniziert gegen „Unbekannt“ und hat somit eine viel niedrigere Hürde für den Informationsaustausch zu nehmen. Dieses Verhalten unterstütz den Informationsfluss von auch nicht so relevanten Inhalten innerhalb eines Unternehmens (siehe Grafik: Long Tail of Information).
Ein häufig beobachteter Synergieeffekt liegt darin, dass durch die niedrige Hürde und dem offenen Zugang zur Kommunikationsplattform wichtige Informationen aus unerwarteten Quellen und Hierarchieschichten beigetragen werden. Zusätzlich bieten solche offene Systeme eine Persistierung der ausgetauschten Informationen. Diese sind durchsuchbar und für die Nachwelt zugänglich. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Kommunikationskultur sich im Enterprise 2.0 Umfeld wandelt: von “push” zu “pull”, weg von den geschlossenen Kanälen wie Telefon und E‑Mail, hin zu offenen Kanälen, wie ein Wiki, Blog oder Forum – wann immer möglich!
Emergenz
McAfee beschreibt den Begriff Emergenz auf seinem Blog wie folgt: „Emergence is the appearance of global structure as the result of local interactions.“ Offene Plattformen unterstützen das Herausbilden globaler Strukturen durch lokale Interaktionen, wodurch eine effektive Art der Inhaltsorganisation entsteht, die meist dann angewendet wird, wenn sie gebraucht wird ohne hier im Voraus Strukturen zu definieren. Sie werden den Grundkriterien bezüglich der Inhalte und Teilnehmer für die „Weisheit der Vielen“ gerecht: Vielfalt, Unabhängigkeit, Dezentralisierung und Aggregation. Inhalte aus unterschiedlichen Quellen und Personen werden in Beziehung gebracht, einfach weil beispielsweise Mitarbeiter lokal andere Dokumente verlinken, anderen Kollegen „folgen“, Zusammenfassungen liefern oder einfach gefilterte Inhalte Kategorisieren. Aber nicht nur die lokalen Aktionen der Mitarbeiter bilden globale Strukturen. Eine automatisierte Verknüpfung durch Inhaltsanalyse kann hier neue Beziehungen vorschlagen, Trends ausgeben oder Vorschläge unterbreiten, wie wir dies bereits von Amazon und co. kennen: „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch“.
Serendipity
Die Gefahr der Informationsflut wird durch offene Kommunikationen verständlicherweise erhöht. Ein moderner Knowledge Worker muss hier gute Fähigkeiten entwickeln, die für ihn wichtigen Beiträge zu filtern. Allerdings bietet eine offene Kommunikation auch die große Change auf Serendipity, dem zufälligen Auffinden von wertvollen Informationen, nach denen eigentlich nicht aktiv gesucht wurde. Dieses Phänomen findet man in der realen Welt außerhalb des alltäglichen Projektgeschäftes z.B. in der Kaffeeküche oder beim Smalltalk zwischen Kollegen wieder. Social-Software skaliert die Kaffeeküche zu einem firmenweiten Platz, auf dem Informationen und Kontakte ausgetauscht werden.
Enterprise 2.0 Bullseye
Andrew McAfee beschreibt in seinem Blog eine Abstraktion der Bindungen zwischen Angestellten eines Unternehmens (siehe Abbildung). Hierfür kann man sich ein großes, geographisch verteiltes Unternehmen vorstellen, in dem ein einzelner Knowledge Worker nur einen kleinen Bruchteil der übrigen Mitarbeiter kennt, andere kennen sollte oder aber auch nie kennen lernen braucht. Er hat – angelehnt an McAfee’s Enterprise 2.0 Bullseye – unterschiedliche Beziehungs-Bindungen: starke, schwache, potentielle und keine. Social-Software, die den weiter oben definierten Begriff „Enterprise 2.0“ gerecht wird, gibt es in unterschiedlichen Ausprägungen (siehe: The Conversation Prism). Dies ist auch sinnvoll, da wir für diese vier Beziehungs-Bindungsgrade und deren Ziele innerhalb eines Unternehmens auch unterschiedliche Funktionalitäten benötigen.
Bindungsgrade innerhalb eines Unternehmens
Das Projekt-Umfeld
Hier haben die Mitarbeiter eine starke Bindung zueinander. Sie haben ein gemeinsames Projektziel, produzieren zusammen Inhalte. Social-Software wie beispielsweise ein Wiki oder Google Docs können hier bei der gemeinsamen Arbeit an einem Dokument unterstützend wirken.
Das soziale Netz
Ein Knowledge Worker kennt durch alte Projekte, Schulungen oder sonstige Veranstaltungen innerhalb eines Unternehmens weitere Mitarbeiter. Die Bindung zu ihnen wird als schwach angesehen. Diese Kollegen haben meist gemeinsame Bekannte und tauschen Informationen aus. Eine Social-Networking-Software wie beispielsweise Facebook und Twitter unterstützt hier das Herausbilden von Personengruppierungen.
Die Umgebung der Themen
Meist existiert eine größere Gruppe an Mitarbeitern, die für einen Knowledge Worker wertvoll sein könnten, würde er diese nur kennen. Dies sind Mitarbeiter mit gleichen Interessen oder benötigten wertvollen Erfahrungen. Alle Mitarbeiter, die sich für ein und dasselbe Thema interessieren oder gleiche Aufgabengebiete bearbeiten, haben miteinander eine potentielle Bindung. Auf der Themenebene können sich Gleichgesinnte treffen und so neue Bekanntschaften und soziale Netzwerke bilden. Social-Software aus den Bereichen der Blog-Sphäre, Foren und Communities unterstützen unterhalb eines Themas den Austausch von Wissen und Kontakten.
Die Welt der Fragen
Ein Unternehmen kann das Wissen aller Mitarbeiter einsetzten, um gemäß der Theorie „The Wisdom of Crowds“ (siehe auch: randomhouse.com) eine gute Einschätzung auf aktuelle Gegebenheiten oder zukünftige Entwicklungen zu bekommen. Obwohl die Mitarbeiter keine Bindungen zueinander besitzen müssen, können sie auf gemeinsame Fragestellungen mit Anwendungen aus dem Bereich des Prediction markets in erstaunlich guter Annäherung zur Realität Antworten auf Tatsachen und Entwicklungen liefern.
Von der Idee zum Produkt
Es ist zu erwähnen, dass innerhalb eines Unternehmens unter idealen Umständen eine Entwicklung von den äußeren Beziehungs-Bindungs-Ebenen in Richtung Zentrum (starke Bindung) entstehen kann. Ein Ideal-Beispiel: Auf die Frage „was wird in den nächsten Monaten eine relevante Technologie sein?“ könnte die Masse der Experten in einer anonymen Umfrage auf die Antwort „Produkt X“ kommen. Um dieses Thema („Produkt X“) können sich interessierte Mitarbeiter beispielsweise in einer Community oder einem Froum austauschen und dort auch potentiell kennen lernen. Lernen sich die Mitarbeiter kernen, bilden sie gerne ein neues soziales Netzwerk, in dem rege Informationen und Ideen über ein firmeninternen Twitter / Newsfeed ausgetauscht werden. Ambitionierte Kollegen kommen auf die Idee, gemeinsam ein Projekt zu starten, um in dieser neuen engen Bindung das innovative „Produkt X‑final“ als Ergebnis zu entwickeln Unterstützt werden sie dabei durch Tools, die es ihnen erlauben, gemeinsam an ein und dem selben Inhalt zu arbeiten (z.B. MS Office mit MS SharePoint, SVN…). Sicher ist, dass Ideen zu Innovationen aus Informationen zur Frage „was ist state of the art“ und kommunizierte Bedürfnisse entstehen. Diese müssen dann allerdings aktiv zu einem finalen Mehrwert geführt werden, befor gesagt werden kann, dass etwas Innovatives erreicht wurde: „Innovation = State Of The Art + Going The Extra Mile“.
Enterprise 2.0 Architektur
In einem Unternehmen existieren neben den Social-Software Installationen natürlich noch weitere Anwendungen. Die Herausforderung besteht darin, das Wissen aus allen Softwareinstallationen zu extrahieren. Dazu müssen diese entsprechend miteinander semantisch integriert werden. Das SLATES-Prinzip von McAfee oder die Erweiterung FLATNESSES von Hinchcliff (Siehe auch: The State Of Enterprise 2.0) bieten einen guten Ansatz. Aber auch Standards wie etwa die Topic Maps für ein „Enterprise Gehirn“ rücken immer mehr ins Licht der Aufmerksamkeit. Eine weitere Herausforderung liegt in der Governance des Umganges mit Informationen. Social-Software fordert eine Kultur der offenen Kommunikation und des freiwilligen Weitergebens von Informationen. Solch eine Kultur muss erst einmal wachsen aber auch von der Geschäftsführung vorgelebt werden. Zusätzlich müssen klare Regeln aufgestellt werden, welche Informationen in die Breite getragen werden dürfen. Dies gilt vor allem auch dann, wenn Social-Software auch zwischen Unternehmen und Kunde eingesetzt wird. Die folgende Grafik, angelehnt an besser20.de, liefert einen Überblick auf das Themengebiet Enterprise 2.0 als Gesamtarchitektur.
JUL